Verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für fehlerhafte Produkte

Das rechtliche Rahmenwerk betreffend Medizinprodukte zielt darauf ab, dass Medizinprodukte für Patienten, Anwender und Dritte sicher und zugleich wirksam sind. Diese Zielsetzung wird grundsätzlich durch die Einhaltung der grundlegenden Anforderungen (z.B. RL 93/42 EWG – "Der Weg zum Medizinprodukt - Teil 5" Konformitätsbewertungsverfahren für allgemeine Medizinprodukte) gewährleistet. Trotz aller Sorgfalt in der Entwicklung und der Produktion kann es jedoch vorkommen, dass ein einzelnes Stück eines Produktes fehlerhaft ist, auch dann, wenn der Hersteller “alles richtiggemacht hat”. Wie die Rechtslage in diesem Fall aussieht, lesen Sie im folgenden Fachbeitrag.

1. Rechtslage

Das auf EU-Richtlinien zurückgehende österreichische Produkthaftungsgesetz1 (im folgenden kurz PHG genannt) normiert eine verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung für Personen- und Sachschäden, wenn durch den Fehler eines Produkts ein Mensch getötet, am Körper verletzt oder an der Gesundheit geschädigt oder eine von dem Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird. Der Europäische Gerichtshof (im folgenden kurz EuGH genannt) begründet die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers damit, dass nur mit dieser „das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden“ könne. Als Produkt im Sinne des PHG wird jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie ein Teil einer anderen beweglichen Sache oder mit einer unbeweglichen Sache verbunden worden ist, einschließlich Energie, definiert. Fehlerhaft ist ein Produkt, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt ist. Der Fehler selbst kann auf einen Konstruktions-, Produktions- oder Instruktionsfehler beruhen. Für den Ersatz von Schäden im Sinne des PHG haftet der Unternehmer, der es hergestellt und in den Verkehr gebracht hat und der Unternehmer, der es zum Vertrieb in den Europäischen Wirtschaftsraum eingeführt und hier in den Verkehr gebracht hat (Importeur). Kann der Hersteller oder der Importeur nicht festgestellt werden, so haftet jeder Unternehmer, der das Produkt in den Verkehr gebracht hat, wenn er nicht dem Geschädigten in angemessener Frist den Hersteller beziehungsweise den Importeur oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat. Bei Sachschäden (also Schäden, die durch das Produkt an anderen Sachen entstehen) besteht nur dann eine Haftung, wenn den Schaden nicht ein Unternehmer erlitten hat, der die Sache überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat, und überdies nur mit dem € 500,00 übersteigenden Teil. Die Haftung kann gemäß § 8 PHG jedoch durch den Nachweis ausgeschlossen werden, dass

  • der Fehler auf eine Rechtsvorschrift oder behördliche Anordnung zurückzuführen ist, der das Produkt zu entsprechen hatte,
  • die Eigenschaften des Produkts nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem es der in Anspruch Genommene in den Verkehr gebracht hat, nicht als Fehler erkannt werden konnten oder
  • (wenn der in Anspruch Genommene nur einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat) der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches der Grundstoff oder das Teilprodukt eingearbeitet worden ist, oder durch die Anleitungen des Herstellers dieses Produkts verursacht worden ist.

Hat ein Ersatzpflichtiger Schadenersatz geleistet und ist der Fehler des Produkts weder von ihm noch von einem seiner Leute verursacht worden, so kann er vom Hersteller des fehlerhaften Endprodukts, Grundstoffs oder Teilprodukts Rückersatz verlangen.

2. Haftung bei fehlerhaften Medizinprodukten

Laut EuGH sind bei medizinischen Geräten die Anforderungen an die Sicherheit, die die Patienten zu erwarten berechtigt sind, in Anbetracht ihrer Funktion und der Situation besonderer Verletzlichkeit der diese Geräte nutzenden Patienten, besonders hoch. Ein Medizinprodukt kann nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann als fehlerhaft qualifiziert werden, wenn eine potentielle Fehlerhaftigkeit der Produktgruppe oder -serie, der es angehört, festgestellt wurde. Ein Fehler des konkreten Produkts muss in diesem Fall laut einer Entscheidung des EuGH nicht vorliegen (vgl. EuGH3 zu C-503/13) ). In dieser Entscheidung hatte der Hersteller mitgeteilt, dass ein zur hermetischen Versiegelung der von ihm vertriebenen Herzschrittmachern verwendetes Bauteil möglicherweise einem sukzessiven Verfall unterliege und dies zur vorzeitigen Batterieerschöpfung mit Verlust der Telemetrie und/oder der Herzstimulationstherapie ohne Vorwarnung führen könne.2 Der Schadenersatz umfasst in solchen Fällen im Übrigen alles, was erforderlich ist, um die Schadensfolgen zu beseitigen und das Sicherheitsniveau wiederherzustellen, das man im Sinne der gegenständlichen EU-Richtlinie zu erwarten berechtigt ist. Bei dem durch eine chirurgische Operation zum Austausch eines fehlerhaften Produkts verursachten Schaden haftet der Hersteller, wenn diese Operation erforderlich ist, um den Fehler des betreffenden Produkts zu beseitigen.

Fazit

Gerade bei Produkten der Medizintechnik kann eine Haftung nach dem PHG zu weitreichenden finanziellen Folgen führen. Je nach Produkt ist der Schaden unterschiedlich und mit einer zumeist geringen Wahrscheinlichkeit behaftet, wenn Sie im Entwicklungs- und Herstellungsprozess die wesentlichen Vorgaben erfüllt haben. Ganz ausschließen können Sie eine möglich Haftung nach PHG aber leider nicht.

1) 2) 3)

Das gesamte RnB-Team bedankt sich herzlich bei Dr. Stefan Lahnsteiner für die Erstellung dieses Blog-Artikels!

rechtliche_grundlage

This website uses cookies for visitor traffic analysis. By using the website, you agree with storing the cookies on your computer.More information