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"Der Weg zum Medizinprodukt - Zusatz": Abgrenzung von Medizinprodukten zu Arzneimitteln im europäischen Rechtsraum

Wir haben uns in den letzten beiden Blogartikeln mit der Frage beschäftigt, ob Ihr Produkt ein Medizinprodukt darstellt oder nicht. Diese Frage möchten wir nun ein letztes Mal aufgreifen und speziell auf die Unterschiede zwischen Arzneimitteln und Medizinprodukten eingehen. Dies ist zugegebenermaßen für Hersteller medizinischer Software in vielen Fällen nicht unmittelbar relevant – im Sinne der Vollständigkeit möchten wir dennoch dieses spannende und heiß diskutierte Thema kurz beleuchten. Die Abgrenzungsthematik zwischen diesen Produktgruppen hat in den letzten Jahren viele Hersteller, Behörden und Gerichte beschäftigt und dazu geführt, dass auf europäischer Ebene eigens eine Arbeitsgruppe unter anderem zu diesem Thema gegründet wurde (Medical Devices Expert Group on Borderline and Classification). An dieser Stelle möchten wir auch gleich auf ein enorm wertvolles Dokument dieser Arbeitsgruppe verweisen, welches unter anderem einige Beispiele aus diesem Grenzbereich auflistet (Link). Zusätlich existiert ein eigenes MEDDEV Dokument zu diesem Thema. Einige interessante Fälle aus diesen Berichten werden wir am Ende des Artikels aufgreifen.

Kehren wir aber vorerst zurück zur Definition eines Medizinprodukts. In Hinblick auf die Abgrenzung zu Arzneimitteln ist vor allem der letzte Absatz von besonderem Interesse:

[…] deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichen Körper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

Zerlegen wir nun diesen Satz in die einzelnen Bestandteile:

  Bestimmungsgemäß:
  Deutet darauf hin, dass die Zweckbestimmung, die Sie als Hersteller definieren, für die Abgrenzung relevant ist. 
  Hauptwirkung:
  Definiert in diesem Zusammenhang, dass der hauptsächliche Beitrag zur Funktionsweise Ihres Produkts vom Medizinprodukt (und nicht 
  durch das Arzneimittel) kommen muss.
  Pharmakologisch: 
  Hier wird es besonders spannend – dieser Ausdruck bedeutet, dass eine Wechselwirkung zwischen der fraglichen Substanz und zellulären
  Bestandteilen stattfindet.
  Immunologisch: 
  Umfasst jene Wirkungen, welche eine spezifische Immunreaktion im oder am Körper hervorrufen.
  Metabolisch:
  Bedeutet, dass die Substanz eine Veränderung von normalen chemischen Prozessen hervorruft. Die Veränderung kann hierbei die
  Initiierung, das Ende oder die Veränderung der Geschwindigkeit dieser Reaktion sein. Die betroffenen chemischen Reaktionen tragen
  hierbei zur normalen Körperfunktion bei.
  [...] deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann:
  Ist ergänzend zur Hauptwirkung zu lesen. Hierbei wird für Medizinprodukte die Möglichkeit eingeräumt, dass ein 
  Arzneimittel durchaus zur Wirkung des Produkts beitragen kann, aber eben nicht hauptsächlich.

Um jetzt allerdings diese, zugegebenermaßen komplexe, Definition verständlicher zu machen, möchten wir einige Beispiele aufgreifen:

Beispiel 1: Heparinbeschichteter Katheter
Katheter zum kontrollierten Abfluss von Flüssigkeiten, beispielsweise von Urin, können innenseitig mit Heparin beschichtet sein, um
kritische Kristallisationsprozesse zu verhindern. Die Hauptwirkung ist der kontrollierte Abfluss der Flüssigkeit, deshalb wird das
Produkt als Medizinprodukt eingestuft.
Beispiel 2: Augentropfen zur Befeuchtung des Augenvordergrunds
Augentropfen, welche hauptsächlich dazu dienen, um die wässrigen Bestandteile des Tränenfilms zu stärken oder Kontaktlinsen zu
befeuchten, sind als Medizinprodukte anzusehen, da der Effekt durch rein physikalische Vorgänge erreicht wird, d.h. ohne
physiologische Interaktion.
Beispiel 3: Knochenzement mit Antibiotika
Ist die Zweckbestimmung dahingehend ausgerichtet, dass die Hauptwirkung die mechanische Fixation einer Endoprothese ist, ist das
Produkt als Medizinprodukt anzusehen, da das Antibiotika nur unterstützend wirkt und mögliche Infektionen verhindern soll.

Sollten die zahlreichen Beispiele in den erwähnten Dokumenten keinen eindeutigen Aufschluss über die Qualifizierung Ihres Produkts liefern, besteht immer noch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Abgrenzungsbeirat des Gesundheitsministeriums.

Soweit also ein kurzer Ausflug in diesen spannenden Bereich. Im nächsten Blogartikel wollen wir aber natürlich wieder zu unserem Kernthema zurückkehren. Wir werden dabei die Risikoklassifizierung von medizinischer Software beleuchten, welche unter anderem entscheidend für das Verfahren zur Bewertung der Konformität Ihres Produkts ist.

2015/04/15 21:02 · michael · 0 Comments

"Der Weg zum Medizinprodukt - Teil 2": Die Idee - Qualifizierung als Medizinprodukt im amerikanischen Rechtsraum

Im letzten Blogartikel wurde der Frage nachgegangen, ob ihr Produkt im europäischen Rechtsraum als Medizinprodukt anzusehen ist. Dieser kurze Blogeintrag soll nun auf diese Frage im Kontext der regulatorischen Rahmenbedingungen in den USA eingehen. Sie wissen bereits, dass die FDA die zuständige Behörde für Medizinprodukte in den USA ist. In dem Zusammenhang lernten wir bereits den Food, Drug and Cosmetic Act (FD&C) kennen, welcher unter Abschnitt 201(h) den Begriff des Medizinprodukts im amerikanischen Rechtsraum definiert.

an instrument, apparatus, implement, machine, contrivance, implant, in vitro reagent, or other similar or related article, including a component part, or accessory which is:
- recognized in the official National Formulary, or the United States Pharmacopoeia, or any supplement to them,
- intended for use in the diagnosis of disease or other conditions, or in the cure, mitigation, treatment, or prevention of disease, in man or other animals, or
- intended to affect the structure or any function of the body of man or other animals, and which does not achieve its primary intended purposes through chemical action within or on the body of man or other animals and which is not dependent upon being metabolized for the achievement of any of its primary intended purposes.

Der erste Punkt dieser Aufzählung behandelt Produkte, welche in Zusammenhang mit den im amerikanischen Arzneibuch definierten Arzneimitteln stehen. Diese ist speziell für Hersteller von Drug-Delivery-Systems, wie beispielsweise Insulinpumpen, zutreffend.
Der zweite Punkt kommt uns bereits bekannt vor: auch in Europa gelten Produkte mit diesen Zweckbestimmungen (u.a. Diagnose, Therapie, Vorbeugung von Krankheiten) als Medizinprodukte. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass auch veterinärmedizinische Produkte dezidiert als Medizinprodukt einzustufen sind.
Der letzte Punkt schließt, ebenfalls ähnlich wie in Europa, beispielweise Implantate ein und legt die Abgrenzung zu Arzneimitteln fest.
Zusammenfassend eröffnen sich allerdings auch mit dieser Definition eine Medizinprodukts zahlreiche Abgrenzungsfragen bei Produkten aus dem Fitness- oder Wellnessbereich. Dies führt uns zu einer weiteren regulatorischen Parallele zwischen den beiden Märkten Europa und den USA: Grundlage für die Qualifizierung Ihres Produkts ist in jedem Fall die von Ihnen definierte Zweckbestimmung. Im amerikanischen Rechtsraum ist der Begriff der Zweckbestimmung im CFR21 unter dem Abschnitt 801.4 erklärt:

The words intended uses […]refer to the objective intent of the persons legally responsible for the labeling of devices. The intent is determined by such persons' expressions or may be shown by the circumstances surrounding the distribution of the article. This objective intent may, for example, be shown by labeling claims, advertising matter, or oral or written statements by such persons or their representatives.

Und genau deshalb sollten Sie als Hersteller, besonders jedoch Ihre Marketingabteilung, gut kontrollieren, wie Sie beispielsweise auf Ihrer Homepage oder in den Begleitpapieren Ihr Produkt präsentieren.

Ausgehend von diesen allgemeinen Informationen über Medizinprodukte können wir nun gemeinsam weiter ins Detail gehen und uns dem Thema der medizinischen Software widmen. Zur Abgrenzung, ob Ihr Software-System im amerikanischen Rechtsraum als Medizinprodukt anzusehen ist, stehen neben der oben erwähnten allgemeinen Definition vor allem zwei Guidance Documents zur Verfügung.

Das erste Dokument ist erst kürzlich (Februar 2015) erschienen und behandelt Systeme, welche Software und Hardware verwenden, um:

  • den elektronischen Transfer,
  • die elektronische Archivierung,
  • die elektronische Umwandlung gemäß einer definierten Spezifikation
  • oder die elektronische Anzeige

von Gesundheitsdaten durchzuführen. Der dritte Punkt dieser Aufzählung behandelt beispielsweise die Umwandlung von digitalen Daten eines Pulsoximeters in ein ausdruckbares Format. Grundsätzlich stellen diese Produkte aus der Sicht der FDA nur ein geringes Risikopotential dar, weshalb auch kein Zulassungsverfahren oder ähnliche Entwicklungsvorgaben kontrolliert werden. Wie immer gibt es dazu allerdings Ausnahmen, beispielsweise im Bereich des Telemonitorings. Aus diesem Grund stellt dieses Dokument eine wichtige Informationsquelle für Hersteller aus diesem Segment dar.

Das Guidance Document “Mobile Medical Applications” widmet sich ausführlich der Abgrenzungsfrage von mobilen Applikationen. Neben wichtigen Definitionen finden sich darin zahlreiche Beispiele und die Erläuterung des risikobasierten Ansatzes der FDA zur Überprüfung, Kontrolle und Überwachung dieser Apps. So gibt es auch hier die Bandbreite von nicht-medizinischen Apps aus dem Gesundheitsbereich bis hin zu risikobehafteten Apps, welche beispielsweise im klinischen Umfeld eingesetzt werden und demnach strengen regulatorischen Auflagen unterworfen sind.

Nach dem Lesen der letzten beiden Artikel sollten Sie nun Kenntnis darüber haben, ab wann Ihr Software-System als Medizinprodukt einzustufen ist – sowohl im europäischen Kontext als auch im Rechtsraum der USA. Die folgenden Blogartikel werden nun den nächsten logischen Schritt aufgreifen und auf die Klassifizierung Ihres Medizinprodukts eingehen.

2015/04/01 12:35 · michael · 0 Comments

"Der Weg zum Medizinprodukt - Teil 1": Die Idee - Qualifizierung als Medizinprodukt im europäischen Rechtsraum

In den vorangegangenen Blog-Artikeln haben Sie erfahren, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Medizinprodukte und medizinische Software in Europa (Europa Allgemein, Europa Software) und in den USA (USA Allgemein, USA Software) gelten. In diesem und den folgenden Artikeln möchten wir Sie schrittweise von der ersten Idee einer Software für medizinische Zwecke bis zum fertigen Medizinprodukt begleiten.

Die Qualifizierungsfrage: Stellt ihr Produkt ein Medizinprodukt dar?

Die Beantwortung dieser Frage stellt Hersteller von Produkten im Gesundheitsbereich regelmäßig vor eine Herausforderung. Ganz allgemein findet sich zu Medizinprodukten in der Richtlinie 93/42/EWG des Rates folgende Definition 1):

Medizinprodukt: alle einzeln oder miteinander verbunden verwendeten Instrumente, Apparate, Vorrichtungen, Stoffe oder anderen Gegenstände, einschließlich der für ein einwandfreies Funktionieren des Medizinprodukts eingesetzten Software, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen für folgende Zwecke bestimmt sind:
- Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten;
- Erkennung, Überwachung, Behandlung, Linderung oder Kompensierung von Verletzungen oder Behinderungen;
- Untersuchung, Ersatz oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs;
- Empfängnisregelung,
und deren bestimmungsgemäße Hauptwirkung im oder am menschlichenKörper weder durch pharmakologische oder immunologische Mittel noch metabolisch erreicht wird, deren Wirkungsweise aber durch solche Mittel unterstützt werden kann.

Diese Definiton klingt an sich zwar schlüssig und deckt zweifelsohne viele Software-Produkte ab, welche man rein intuitiv ohnehin bereits dem Medizinproduktesektor zugeordnet hätte. Beispiele hierfür sind Software-Systeme für die Telechirurgie oder für die Dosisplanung von Operationen - alles Produkte mit klar definierter medizinischer Zweckbestimmung. Wie aber sieht es nun mit Software-Systemen aus, welche in Produkte aus dem Wellnessbereich eingebettet sind? Ab wann ist ein Gesundheits- oder Fitnessapp der Medizinprodukterichtlinie zuzuordnen? Zur Beantwortung dieser Fragen dient primär natürlich die oben angeführte Definition. Aber verhütet eine Fitness-App im weitesten Sinn nicht auch Krankheiten? Grundvoraussetzung für die Beantwortung solcher und ähnlicher Fragen ist die Definition einer initialen Zweckbestimmung. Sie als Hersteller müssen definieren, wer das Produkt unter welchen Umständen an wem anwendet - und vor allem ob Ihr Produkt für medizinische Zwecke, beispielsweise Diagnosen oder Therapien, gedacht ist oder nicht.

In Zusammenhang mit der Zweckbestimmung und dem Marketing ihres Produkts gilt es allerdings auch einige wichtige Dinge zu beachten. So ist in der Medizinprodukterichtlinie folgendes festgehalten: 2):

Zweckbestimmung: Verwendung, für die das Produkt entsprechend den Angaben des Herstellers in der Etikettierung, der Gebrauchsanweisung und/oder dem Werbematerial bestimmt ist.

Sie sehen also, dass auch das Werbematerial, neben der Zweckbestimmung in der technischen Dokumentation, eine große Rolle spielen kann.

Haben Sie nun eine Zweckbestimmung für ihre Idee definiert, stellen im europäischen Rechtsraum zwei Medical Guidance Documents eine gute Anleitung dar, um die Eingangs gestellte Frage zu beantworten:

  1. MEDDEV 2.1/1 - Definitions of “medical devices”, “accessory” and “manufacturer“, sowie vor allem die
  2. MEDDEV 2.1/6 - Qualification and Classification of stand alone software

Das erste Dokument bringt einige wichtige Dinge auf den Punkt: so wird ab Seite 5 darauf hingewiesen, dass das allgemeine Verwalten von Patientendaten ein Produkt noch nicht als Medizinprodukt qualifiziert. Ein Beispiel dazu stellen einzelne Module eines Krankenhausinformationssystems dar, welche die Terminisierung oder Abrechnung unterstützen. Deutlich detaillierter widmet sich das Guidance Document 2.1/6 dieser Thematik. In diesem ist neben zahlreichen Beispielen auch ein Entscheidungsbaum zu finden. So stellt Software, welche medizinische Daten ausschließlich

  • archiviert,
  • speichert,
  • verlustfrei komprimiert,
  • kommuniziert
  • oder eine einfache Suche durchführt,

noch kein Medizinprodukt dar, selbst wenn diese Daten zur Diagnose durch medizinisches Personal herangezogen werden (beispielsweise elektronische Gesundheitsakten).

Auch hier wird eines abermals deutlich: eine Zweckbestimmung zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Produktentwicklung ist essentiell für die Qualifizierung als Medizinprodukt.

Bevor wir die Klassifizierung Ihres Medizinprodukts erläutern, werfen wir im nächsten Blogeintrag einen Blick auf die Beantwortung der Qualifizierungsfrage im amerikanischen Rechtsraum.

2015/03/10 00:00 · Andreas Böhler · 0 Comments

Medizinische Software im amerikanischen Rechtsraum

Im letzten Blogeintrag lernten wir die groben regulatorischen Rahmenbedingungen für allgemeine Medizinprodukte im amerikanischen Rechtsraum kennen. In dem aktuellen Artikel sollen diese Inhalte vertieft und der Fokus auf unser eigentliches Thema, der medizinischen Software, gelegt werden.

Wie bereits im letzten Artikel erwähnt, regelt die Food and Drug Administration (FDA) die Sicherheit und Wirksamkeit u.a. von Medizinprodukten. Da Software mit medizinischer Zweckbestimmung in den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fällt, sollte Ihre Informationsquelle daher primär die offizielle Homepage der FDA sein Link.

Beginnen wir ganz oben: Der Code of Federal Regulations 21 (CFR21) behandelt viele Bereiche, welche für Hersteller von Medizinprodukten relevant sind. Alles Anforderungen, welche Ihre medizinische Software ebenfalls erfüllen muss. Exemplarisch aufgelistet einige Teile:

  • Part 801: Bezeichnung und Beschriftung von Medizinprodukten
  • Part 806: Meldepflicht bei Korrekturen am Produkt oder Rückrufaktionen
  • Part 809: Spezielle Anforderungen an In-Vitro-Diagnostika
  • Part 814: Pre-Market Approval

Eine spezielle Bedeutung für Sie als Hersteller stellt aber ohne Zweifel der Part 820 zu den Quality System Regulations dar. Zweck dieses Abschnitts ist die Festlegung der Anforderungen an das Qualitätsmanagement von Organisationen, welche Medizinprodukte entwickeln. So werden beispielsweise Anforderungen an die oberste Leitung, an die Dokumentenlenkung oder an den Beschaffungsprozess definiert.

Was aber ist jetzt für die tatsächliche Entwicklung Ihres Medizinprodukts erwähnt? Vor allem die unter Part 820.30 formulierten Design Controls, welche Ihnen bestimmt bekannt vorkommen. In kurzen Worten muss

  1. die Entwicklung geplant,
  2. der Design Input spezifiziert,
  3. der Design Output dokumentiert,
  4. der Design-Review festgelegt und
  5. die Design-Verifizierung und Design-Validierung nachvollziehbar durchgeführt werden.

Diese Punkte werden genauer in den nächsten Blogartikeln aufgegriffen. Für den Moment reicht es, zu wissen, dass offensichtlich auch im amerikanischen Raum die Entwicklung von medizinischer Software innerhalb eines definierten Lebenszyklus stattfinden muss. Aber wie strukturiert man nun die enstehenden Dokumente, welche im Zuge der Durchführung der oben genannten Aktivitäten enstehen?

Die FDA definiert dafür drei Begriffe:

  • Device Master Record (DMR): definiert das “Rezept” Ihres Produkts (Spezifikation, Arbeitsanweisungen…)
  • Design History File (DHF): beschreibt, wie Ihre Entwicklung (Ihr “Rezept”) entstanden ist
  • Device History Record (DHR): dokumentiert, dass ein Produkt oder eine Produktcharge gemäß des im DMR definierten “Rezepts” produziert wurde

Sie erinnern sich bestimmt an zwei der möglichen Zulassungsverfahren in Amerika, der Pre-Market Approval (PMA) und der Pre-Market Notification (510(k)). Für beide Verfahren ist ein kompletter und freigegebener DMR ein guter Startpunkt. In diesem DMR sollten demnach auch sämtliche Dokumente zu finden sein, welche den Lebenszyklus medizinischer Software beschreiben, welche, je nach Risikopotential Ihrer Software, in unterschiedlichem Umfang eingereicht werden muss. So müssen Sie beispielsweise für medizinische Software mit niedrigem Risikopotential (minor) keine Software-Architektur und nur eine grobe Anforderungsspezifikation einreichen. Dies ist ausführlich im Guidance Document “Guidance for the Content of Premarket Submissions for Software Contained in Medical Devices” Link beschrieben. Auch wenn die Versuchung groß ist: Verwechseln Sie nicht die Software-Sicherheitsklasse der EN 62304 mit den Schweregraden (Level of Concern) in diesem Guidance Document. Der Level of Concern bezieht sich nur auf die einzureichende Dokumentation, die Software-Sicherheitsklasse auf die tatsächlich zu erstellenden Dokumente.

Abgesehen von dem erwähnten Dokument existieren noch weitere, für medizinische Software, relevante Guidance Documents:

  • Guidance for Off-the-Shelf Software Use in Medical Devices regelt den Umgang mit Software-Systemen, welche in ein Medizinprodukt eingebettet sind, wo aber keine ausreichende Dokumentation über den Lebenszyklus verfügbar ist (z.B.: Betriebssysteme)
  • Guidance for Industry - Cybersecurity for Networked Medical Devices Containing Off-the-Shelf Software definiert Anforderungen an Medizinprodukte, welche Off-the-shelf (OTS) Software beinhalten und an ein privates Netzwerk oder an das Internet angeschlossen werden.

Nach dem Lesen der letzten beiden Blogeinträge sollten Sie nun überblicksmäßig wissen, wie der amerikanische Rechtsraum für Medizinprodukte strukturiert ist. Insbesonders der CFR 21 sollte Ihnen nun ein Begriff sein, speziell die für Medizinprodukte relevanten Teile daraus. Die grundlegende Struktur der entstehenden Dokumentation und die für medizinische Software relevanten Guidance Documents der FDA sollten Sie nun ebenfalls kennen.

Nachdem in den vergangenen Blogeinträgen eine Übersicht geschaffen wurde, können wir in den kommenden Artikeln weiter ins Detail gehen.

2015/02/23 21:00 · Andreas Böhler · 0 Comments

Medizinprodukte im amerikanischen Rechtsraum

Die letzten beiden Blogbeiträge beschäftigten sich mit den groben Rahmenbedingungen für medizinische Software im europäischen Wirtschaftsraum. In ähnlicher Art und Weise sollen nun die regulatorischen Gegebenheiten im amerikanischen Raum vorgestellt werden - in einem ersten Schritt wollen wir uns ganz allgemein mit Medizinprodukten befassen.

Rechtlich gesehen bildet in Amerika die Verfassung (Constitution) die oberste Ebene. Deren Inhalte regeln unter anderem die Aufteilung in drei Gewalten - der gesetzgebenden (Legislative), der ausführenden (Exekutive) und der rechtssprechenden (Judikative). Dem exekutiven Zweig zugehörig ist das Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services).

Da aber spezielle Bereiche zu komplex sind, um direkt von der Bundesregierung der Vereinigten Staaten bzw. den einzelnen Ministerien gelenkt zu werden, wurden über das Verwaltungsrecht spezialisierte Behörden eingerichtet. Eine solche Bundesbehörde stellt nun die Food and Drug Administration (FDA) dar. Die Aufgabe der FDA besteht ganz wesentlich darin, die Sicherheit und Wirksamkeit von

  • Arzneimitteln (sowohl human- als auch veterinärmedizinische),
  • biologischen Produkten,
  • Lebensmitteln,
  • strahlenemittierenden Geräten,
  • Kosmetika,
  • tabakhältigen Produkten und
  • Medizinprodukten

zu regeln und zu kontrollieren. Die FDA kontrolliert somit etwa ein Drittel aller Importe sowie circa 25 % aller Konsumgüter in Amerika.

Die FDA wird für diese Mission über den vom Kongress verabschiedeten Food Drug and Cosmetics Act bevollmächtigt und definiert dessen Umsetzung für sich detailliert im Title 21 der United States Code of Federal Regulations (21CFR). Wir nähern uns - genau dieses Dokument sollte für Sie als Hersteller von Medizinprodukten von Interesse sein, wobei der Fokus auf den Teilen 800 bis 1299 gelegt werden sollte. Part 820 beschäftigt sich beispielsweise mit Anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme. Innerhalb dieses Abschnitts ist unter anderem geregelt, wie Medizinprodukte, und damit auch medizinische Software, geplant, entwickelt und geprüft werden (Part 820.30) oder die Produktion durchgeführt werden muss (Part 820.70).

Bereits in Europa standen wir vor der Herausforderung, dass diese recht allgemein formulierten Anforderungen zwar schlüssig, aber zu wenig konkret gehalten sind. Während es in Europa das Konzept der harmonisierten Normen gibt, existieren in Amerika eine Reihe von Guidance Documents. Vergleichbar mit den harmonisierten Normen, sind diese Dokumente ebenfalls nicht rechtlich bindend. Aber, keine Angst, zusätzlich definiert die FDA für sich eine Reihe von recognized standards, welche erfreulicherweise auch die uns bekannten IEC 62304 für medizinische Software oder die ISO 14971 für das Risikomanagement umfassen.

Wie aber nun können Sie als Hersteller von Medizinprodukten die Einhaltung der Anforderungen darlegen und die Zulassung durchführen? Wie in Europa liegt diesem Prozess ein risikobasierter Ansatz zugrunde: Medizinprodukte mit niedrigem Risikopotential können über eine Pre-Market Notification (Part 510k) zugelassen werden. Mit deutlich mehr Aufwand ist der Prozess des Pre-Market Approvals verbunden, der für Medizinprodukte der höchsten Risikoklasse III gefordert ist. Diese beiden Varianten der Marktzulassungen werden in einem der nächsten Blogartikel näher erläutert.

Nach dem Lesen dieses Blogartikels sollten Sie nun wissen, was die FDA darstellt, welche Hauptaufgaben diese Bundesbehörde hat und vor allem wo Sie sich über Anforderungen an Medizinprodukte informieren müssen. Zusätzlich werden Sie im Zuge des Zulassungsprozesses mit einer Reihe von speziellen Guidance Documents beziehungsweise mit uns bekannten Standards in Kontakt kommen.

2015/02/06 00:00 · Andreas Böhler · 0 Comments

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1)
Richtlinie 93/42/EWG, Art 1 (2) g
2)
Richtlinie 93/42/EWG, Art 1 (2) h
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